Juliusz Slowacki
Deutsche Lebensbeschreibung


Julisz Slowacki war geboren in Krzemieniec studierte er an der Universität Wilna (1825-29).

Seit 1831 befand er sich im Exil in der Schweiz, Italien (1836-37) und dann bis zu seinem Tod in Paris.

In seinem Oeuvre treten am stärksten Elemente der persönlichen lyrischen Reflexion zutage (die Dichtung W Szwajcarii – In der Schweiz – 1839), patriotische Töne (Grób Agamemnona – Agamemnons Grab – 1839), das epische Poem Beniowski (1841), die unbeendete philosophisch-historiosophische Dichtung Król Duch (König Geist – 1847). Zu den bedeute Früh geweckter Ehrgeiz, mystisches Träumen, verzärtelnde Erziehung, ausschließlich literarische Interessen hießen ihn sich zu einer Mimose entwickeln, die das gemeine, werktätige Leben scheut, sich auf sich zurückzieht, in unerschöpflicher Phantasie allen Eindrücken der Lektüre in fieberhafter Geschäftigkeit nacheifert, darin Ersatz für Kämpfen und Streben, für Lieben und Leben findet. Auch er ging in die Emigration, reiste in den Orient und starb an ererbter Schwindsucht in Paris. Seine lyrische, epische und namentlich dramatische Poesie erquickte nicht die Herzen, ist aus Phantasie, Träumerei und Grübelei erwachsen, meist Kaviar fürs Volk, Hochgenuß für den Ästheten.

Im Gegensatz zu den scharfen Umrissen und exakten Farben seines Rivalen ähneln seine Schöpfungen eher Tonstücken, wecken unbestimmte Regungen, vage Bilder, reizvolle Stimmungen neben grellen Kontrasten eines Sichweidens an grausam - qualvollen Situationen, einer Steigerung ausgesuchter Leiden, eines tieftrüben und poetischen Pessimismus, romantischer Ironie und Resignation. Seine Anläufe zu einer führenden Rolle, Programmen und Lebenszielen, zur Weltdeutung verlieren sich in Verschwommenheiten, aber seine Kunst ist stark, sein Vers ist der fließendste, seine Sprache die reichste, alles der modernen nächstverwandt, schon durch das Symbolisieren, wie durch das Musikalische des Ausdrucks; gegenüber den satten Farben und der greifbaren Plastik des Mickiewicz ist er der unbestrittene Meister poetischer Stimmung.


In frühen Jugendgedichten, poetischen Novellen mit Byronischen Helden und exotischen Stoffen oder historischen Dramen ähnlicher Faktur entfernte sich der Dichter so sehr von allem Aktuellen, daß er keinerlei Interesse rief. Er ließ sich jedoch durch die ihn verfolgende Kühle des Publikums nicht beirren, erreichte bald ungleich höhere Stufen, ohne doch mit seinem buntfarbigen Phantasiegespinst lebhafteres Echo zu wecken, obwohl er sich komplizierten Aufgaben stellte, z.B. Volkssagen zu einer Reihe dramatischer Chroniken, bald in Shakespearescher Art, bald Euripides nachahmend, bearbeitete. Bei der Armut des polnischen tragischen Repertoires waren dies hochbedeutende Leistungen, doch war dem Emigranten jeglicher Zugang zur Bühne verschlossen; so blieben es Lesedramen, trotz unverkennbarer szenischer Fähigkeit; Wenn er aus seiner Märchenwelt zur Gegenwart herabstieg, so in seinem phantastischen Drama "Kordian" oder in der poetischen Prosa seines "Anhelli", drückte er seinen Helden die ihm selbst eigene träumerische Unentschlossenheit und Phantastik auf oder machte sie zu geheimnisvollen Opfern stiller, verzweiflungsvoller Entsagung; Mangel an Lebenskraft, an Mut und Tat konnte der Zauber seiner Bilder nicht wettmachen. Die Orientreise mehrte seine poetischen Mittel; die Vers-Novelle vom "Vater der Verpesteten in El Arish"; wo der Araber seine ganze Familie um sich der Pest erliegen sieht, kann es mit dem Eindruck der Laokoon-Gruppe voll aufnehmen; der Liederkranz "In der Schweiz" ist eine Exotik, in ihrer nie zu übertreffenden Zartheit aus dem Weiß des Alpenschnees und dem Rot des Alpenglühens gewebt. An aller dieser Pracht von Form, Stil, Sprache gingen ungeschliffenes Publikum und grobkörnige Kritik achtlos vorüber; der zürnende Dichter mischte nun nach dem Rate seines Freundes und Schätzers Krasinski in seinen Lasur das Gelb der Galle und rechnete ab mit Publikum und Kritik, mit den Parteien der Emigration, mit seinem großen Rivalen in einem Epos, gehalten im Ton des Byronschen Don Juan, mit dessen losem Bau, Selbstbekenntnissen religiöser und ästhetischer Art, ein geistsprühendes Feuerwerk, wie es die Literatur nie wieder abbrennen sah. Er griff damit in das 18. Jahrhundert zurück, in die nationalreligiöse Bewegung, die die Barer Konföderierten gegen Rußland und dessen Schützling auf dem Throne ins Feld trieb, und schilderte die Abenteuer eines von ihnen, des Pan "Beniowski" (der aus Sibirien floh und den Franzosen Madagaskar gewann), doch gab er nur die ersten fünf Gesänge heraus, die um Beniowski in Podolien, um den Kosaken Sawa und den begeisterten Aszeten, Mönch Marek, spielten; die folgenden Gesänge von einer phantastischen Reise zu den Tartaren in der Krim blieben unvollendet. Die Sprache dieses Epos ist von bezaubernder Fülle, Frische, Melodie; überschwenglich ist die Pracht der Bilder, übermütig das scherzhafte Spielen mit dem Thema, mit den mit beißendem Spott übergossenen Gegnern; der Dichter stand auf der Höhe seiner Kunst, war unermüdlich tätig, doch ließ er vieles und darunter das Dankbarste und Interessanteste ungedruckt, in der Regel auch unvollendet: kein Dichter der Welt hinterließ unerschöpflicheren Nachlaß.


1842 traf er, wie sein Rivale, mit Towianski zusammen und die tiefgreifendste Änderung seines Wesens, als Mensch wie als Dichter, war davon die Folge. Nicht nur seine Phantasie wurde neu befruchtet, durch die Lehre von der Metamorphose, von der Evolution und Vergeistigung von Materie und Mensch, von dessen künftiger Verengelung, sondern er lernte jetzt den Geist über die Materie, die Verzückung über den Verstand, die magischen Seelenkräfte über die platte Wirklichkeit, religiöse Erregung über alles schätzen. Nun ahmte er vorübergehend die bombastische Rhetorik eines Calderon nach, dessen "Standhaften Prinzen" er übertrug und übertraf, in Dramen aus derselben Barer Konföderation, aus der er seinen "Beniowski" geschöpft hatte, und überbot sich an Wunderdingen seiner am Abenteuerlichsten, Grellsten sich weidenden Phantastik seiner Schreckensdramen vom "Priester Marek" und dem "Silbertraum der Salomea". Nachdem sich die Fieberhitze des Neoi zdie feierte einen sagenhaften Popiel als den ersten "König", der mit freier Paraphrase des blutdürstigen Treibens von Zar Iwan IV., durch unerhörte Grausamkeiten den Granit des Staates aus der molluskenhaften alten Anarchie härtete. Je mangelhafter die ganz willkürliche Historosophie des Dichters ist, desto unbestrittener bleibt die Macht seiner Kunst, die sich in der grauen Tönung der grauenhaften Bilder gefällt und außerordentliche Wirkungen erzielt. In den folgenden Rhapsodien, vom Piast, von dem ersten Chr übertroffen.


Was ihm zu seinen Lebzeiten versagt blieb, der Ruhm, ist ihm nach Jahren voll beschieden; heute erfreut sich der Dichter bei allen ästhetisch gebildeten der größten Verehrung; seiner komplizierten Kunst, nicht der ungleich einfacheren des Mickiewicz ist der Ästheten Bewunderung sicher. Die tiefste Umkehr seines Wesens, wie das eitle Menschenkind zu einem entsagenden und begeisterten Apostel der Verklärung und Verengelung der Menschheit, der Verherrlichung des "ewigen Revolutionärs", des Geistes, wurde, wie der Dichter in einer Prosaschrift "Genesis aus dem Geiste" die Evolution der Materie bis zur Menschschöpfung phantastisch - anschaulich schilderte, ist zwar durch die Anregung von Towianski gegeben, aber diese stieß auf starke Veranlagung in gleicher Richtung; sie löste nur die in der Dichterbrust schlummernden mystischen Instinkte voll aus. Nach Mickiewicz bleibt – Gott; stets fesselt er die Phantasie, wie selten rührt er das Herz! Dafür meidet sein stolzes Wesen jede Banalität; verschlungen sind seine Pfade, jagen auch Irrlichtern nach, aber sie führen in die poetischen Gründe.


Der Autor dieses Beitrags aus dem Jahre 1920, Alexander Brückner 1856-1939, war einer der bedeutendsten polnischen Slawisten und Historiker, der auch an der Berliner Universität unterrichtete.